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Scheinselbstständigkeit & ihre Folgen | BuchhaltungsButler
Scheinselbstständigkeit ist kein Kavaliersdelikt und kann ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen, sollte diese während einer Betriebsprüfung festgestellt werden. Deshalb sollten Unternehmen und Selbstständige bzw. Freelancer bei einer Zusammenarbeit besonders darauf achten. Wann die Kriterien einer Scheinselbstständigkeit erfüllt sind und wie Sie diese vermeiden können, erfahren Sie in diesem Artikel.
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Scheinselbstständigkeit: Definition
Als Scheinselbstständiger wird jemand bezeichnet, der nach außen hin als Selbstständiger auftritt, tatsächlich aber Beschäftigter im Sinne des §7 Abs. 1 SGB IV ist. Für einen Außenstehenden ist der Unterschied zu einem normalen Arbeitnehmer nicht zu erkennen.
Ein Praxisbeispiel: Ein Freelancer ist für ein Unternehmen tätig, schreibt Rechnungen auf seinen eigenen Namen, erhält ein Honorar und nutzt seine eigenen Geräte für die Auftragsabwicklung. Allerdings wird er vom Auftraggeber in die internen Prozesse des Unternehmens mit eingebunden und erhält der Einfachheit halber eine eigene Firmen-E-Mail-Adresse. Darüber hinaus ist er häufig in den Räumen des Unternehmens, um sich besser mit den Angestellten austauschen zu können. In einer Betriebsprüfung würde dieser Freelancer als scheinselbstständig eingestuft werden.
Die Abgrenzung der selbstständigen Tätigkeit und der abhängigen Beschäftigung ist hierbei entscheidend.
Definition Selbstständiger
Als Selbstständiger arbeiten Sie eigenverantwortlich und haben damit ein hohes Maß an unternehmerischer Gestaltungsfreiheit. Sie können als Unternehmer Angestellte beschäftigen oder als Soloselbstständiger agieren. Wenn Sie sich selbstständig machen, sind Sie außerdem für Ihre soziale Absicherung eigens verantwortlich.
Je nachdem, wie hoch der Verdienst aus der Selbstständigkeit ist, kann zwischen einer Selbstständigkeit im Haupt- oder Nebenerwerb unterschieden werden. So ist eine Kombination aus einer abhängigen Tätigkeit und einer Selbstständigkeit möglich.
Definition Arbeitnehmer
Der Arbeitnehmer steht in einem arbeitsrechtlichen Verhältnis zu seinem Arbeitgeber. Die Arbeit wird gegen ein gewisses Entgelt ausgeführt. Der Arbeitgeber kann mit dem ihm zustehenden Weisungs- und Direktionsrecht die Arbeitszeit, den Arbeitsort, die Arbeitsdauer und die Art der Arbeitsausführung bestimmen. Zudem besitzt der Angestellte Arbeiterschutzrechte wie Kündigungsschutz und Urlaubsanspruch.
Als Arbeitnehmer ist man automatisch gesetzlich versichert. Der Arbeitgeber führt monatlich einen Teil des Bruttolohns für Versicherungs- und Rentenbeiträge ab. Sind Sie selbstständig, müssen Sie sich eigenhändig um Ihre Versicherungen und Rentenvorsorge kümmern.
Scheinselbstständigkeit: Kriterien
Bei einer Prüfung auf Scheinselbstständigkeit werden die tatsächlichen Verhältnisse zwischen dem Auftraggeber und dem Selbstständigen untersucht. Unter anderem liegt eine Scheinselbstständigkeit vor, wenn der Selbstständige
- dauerhaft für einen einzigen Auftraggeber tätig ist (i.d.R. mehr als 83%),
- dessen Aufträge ihm mehr als ⅚ seines Umsatzes liefern,
- regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Mitarbeiter beschäftigt oder
- Einschränkungen in der Entscheidungsfreiheit erfährt, bzw. weisungsgebunden ist.
Da die Abgrenzung zur nicht selbstständigen Arbeit nicht immer klar und deutlich ist, bietet die Deutsche Rentenversicherung eine Statusfeststellung an. Diese Feststellung soll zur Klärung dieser Frage im Einzelfall beitragen.
Statusfeststellungsverfahren
Mit einem Statusfeststellungsverfahren wird der sozialversicherungsrechtliche Status des Auftragnehmers festgestellt. Es wird also definiert, ob eine nicht selbstständige Tätigkeit oder eine Selbstständigkeit vorliegt. Somit erlangen Auftragnehmer (Arbeitnehmer) und Auftraggeber (Arbeitgeber) die Rechtssicherheit und sind dadurch vor späteren Unstimmigkeiten und hohen Beitragsnachzahlungen geschützt.
Optionales und obligatorisches Statusfeststellungsverfahren
Das optionale Statusfeststellungsverfahren (nach §7a Abs. 1 S. 1 SGB IV) kann sowohl vom Auftragnehmer, als auch vom Auftraggeber bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung (DRV) beantragt werden. Die DRV entscheidet dann über den Status der Beschäftigung.
Beim obligatorischen Statusfeststellungsverfahren ist die zuständige Einzugsstelle dazu verpflichtet, das Verfahren beim Deutschen Rentenversicherungsbund zu beantragen, wenn hervorgeht, dass es sich beim Arbeitnehmer um
- den Ehepartner, Lebensgefährten oder einen sonstigen Abkömmling des Arbeitgebers oder
- den geschäftsführenden Gesellschafter einer GmbH oder UG handelt.
Marcus Kemper
Steuerberater bei Steuerkemper
Marcus Kemper arbeitete bereits in verschiedenen renommierten Steuerberaterkanzleien. Nachdem er 2006 erfolgreich sein Steuerberaterexamen absolvierte, folgte 2007 dann die eigene Existenzgründung. Seine Kanzlei bietet unter anderem Bescheidprüfung, Betriebsprüfung sowie betriebswirtschaftliche und gestalterische Beratung an. Zu einer der jüngsten Auszeichnungen von Steuerkemper zählt das Datev-Label “Digitale Kanzlei”, welches der Kanzlei im Jahr 2019 verliehen wurde.
Wirkung des Statusfeststellungsverfahrens
Stellt die Deutsche Rentenversicherung eine abhängige Tätigkeit fest, beginnt die Sozialversicherungspflicht mit dem Tag des Beschäftigungsbeginns.
Neben dem Deutschen Rentenversicherungsbund kann auch das Finanzamt, ein Arbeitsgericht oder die Sozialversicherung eine Prüfung der Scheinselbstständigkeit durchführen.
Scheinselbstständigkeit und ihre Folgen
Wird eine Scheinselbstständigkeit festgestellt, werden die entsprechenden Nachzahlungen für beide Parteien durch die Sozialversicherung und Finanzbehörde berechnet. Das, was der Auftragnehmer in der Zusammenarbeit verdient hat, wird ihm als Nettolohn angerechnet. Der Anteil der Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer wird somit über den gesamten Zeitraum (bis zu 4 Jahre rückwirkend) nachberechnet und eingefordert. Sowohl der Auftraggeber, als auch der Auftragnehmer werden in der Thematik als Gesamtschuldner betrachtet. Im Falle der vorsätzlichen Scheinselbstständigkeit müssen Beteiligte mit Bußgeldern und Rückzahlungsforderungen für bis zu 30 Jahren rechnen.
Abgesehen von den Sozialversicherungsbeitrag- und Lohnsteuernachzahlungen, kann es zu einer strafrechtlichen Untersuchung kommen. Der Grund liegt in einer möglichen Steuerhinterziehung. Eine Steuerhinterziehung ist dann gegeben, wenn ein Vorsatz nachgewiesen werden kann.
Mit dem Ende der Selbstständigkeit erlangt der Auftragnehmer den Status eines Arbeitnehmers. Somit erhält er alle Rechte, die einem normalen Arbeitnehmer zustehen und kann diese in Anspruch nehmen.
Für den Auftraggeber und Auftragnehmer bedeutet eine Scheinselbstständigkeit somit Folgendes:
- Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer + Säumniszuschlag für die vergangenen 4 Jahre → können u.U. existenzbedrohend für das Unternehmen sein
- Möglicherweise strafrechtliche Folgen aufgrund der Steuerhinterziehung, sofern ein Vorsatz des Unternehmens nachgewiesen werden kann
- Der Auftragnehmer bzw. Freelancer wird Angestellter inklusive Lohnfortzahlungsverpflichtungen, Kündigungsschutz und Urlaubsanspruch oder kann seine Rechte einklagen
- Aberkennung der Selbstständigkeit des Auftragnehmers
- Die ausgewiesene Umsatzsteuer wird unwirksam und eine erhaltene Umsatzsteuer muss an das Finanzamt zurückgezahlt werden
Fazit: So können Sie eine Scheinselbstständigkeit vermeiden
Wagen Sie den Schritt in die Selbstständigkeit, sollten Sie stets darauf achten, eine Scheinselbstständigkeit zu vermeiden. Folgende Punkte können die Gefahr einer Scheinselbstständigkeit verringern:
- Projektbezogener Auftrag: Selbstständiger/ Freelancer übernimmt klar definierte Aufgaben und arbeitet dabei nicht weisungsgebunden
- Verschiedene Auftraggeber: Die Einnahmen des Selbstständigen setzen sich aus mehreren Aufträgen zusammen
- Die Tätigkeit kann unabhängig von Arbeitszeiten und Urlauben ausgeführt werden
- Der Auftragnehmer arbeitet mit seinen eigenen Programmen und Arbeitsmitteln in seinen eigenen Räumen
Es ist allerdings ein weit verbreiteter Irrglaube, dass die Tätigkeit für nur einen Auftraggeber automatisch eine Scheinselbstständigkeit des Freelancers bedeutet.
Oftmals erfordert ein größeres Projekt die gesamte Aufmerksamkeit des Auftragnehmers und das kann dann dazu führen, dass er für einen gewissen Zeitraum keine weiteren Aufträge annehmen kann.
Bleiben dann andere Kriterien einer Scheinselbstständigkeit unerfüllt, handelt es sich trotzdem nicht um eine Scheinselbstständigkeit.
Sollten Sie oder Ihr Auftraggeber dennoch den Verdacht auf Scheinselbstständigkeit äußern, haben Sie die Möglichkeit, das Statusfeststellungsverfahren durch die Deutsche Rentenversicherung, wahlweise auch über die Krankenkasse, zu beantragen. Dieses bringt Klarheit in die Verhältnisse und sichert beide Parteien ab.
FAQs
Wann liegt eine Scheinselbstständigkeit vor?
Eine Scheinselbstständigkeit liegt dann vor, wenn Sie zwar als Selbstständiger auftreten, allerdings wie ein normaler Angestellter des Unternehmens behandelt werden. Ein Außenstehender kann in dieser Situation keinen Unterschied mehr erkennen.
Wer stellt Scheinselbstständigkeit fest?
Eine Scheinselbstständigkeit kann unter anderem durch die Deutsche Rentenversicherung, das Finanzamt, das Arbeitsgericht oder die Sozialversicherung festgestellt werden. Oftmals wird eine Scheinselbstständigkeit im Rahmen einer Betriebsprüfung festgestellt.
Kann man sich strafbar machen mit Scheinselbstständigkeit?
Ja, wenn Sie eine Scheinselbstständigkeit vorsätzlich eingehen. Sollte das der Fall sein, machen Sie sich der Steuerhinterziehung schuldig und können dafür strafrechtlich belangt werden.
Was ist die 5 6 Regelung?
Die 5 6 Regelung besagt, dass der Selbstständige nicht mehr als ⅚ seines Gesamtumsatzes über den Auftraggeber generieren darf. Sollten Sie diese Regelung nicht einhalten können, ist ein erstes Kriterium für die Scheinselbstständigkeit erfüllt.
Wer zahlt bei Scheinselbstständigkeit?
Der Auftraggeber und Auftragnehmer werden in der Hinsicht als Gesamtschuldner betrachtet und müssen beide ihren Anteil an der Sozialversicherung und Lohnsteuer leisten.
Wie prüft man Scheinselbstständigkeit?
Eine Scheinselbstständigkeit kann man anhand der tatsächlich vorherrschenden Verhältnisse im Unternehmen überprüfen. Es werden die Prozesse im Unternehmen beobachtet und festgestellt, inwieweit der Selbstständige in diese eingebunden ist.
Wie kann ich die Scheinselbstständigkeit umgehen?
Das wohl wichtigste hierbei ist, sich ausreichend zu informieren – denn Unwissenheit schützt bekanntlich nicht vor einer Strafe. Darüber hinaus sollten Sie dafür sorgen, dass das Projekt klar definiert ist und am besten mehrere Auftraggeber generieren.
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