Reverse-Charge-Verfahren: Vereinfachte Umsatzsteuer bei grenzüberschreitenden Geschäften

Susanne Woda
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Reverse-Charge | BuchhaltungsButler

Bei Geschäften im Ausland sind Unternehmer oft mit speziellen Regelungen konfrontiert. Eine Sonderregelung bei der Umsatzsteuer ist das Reverse-Charge-Verfahren. Die Umsatzsteuer zahlt hier nicht der Unternehmer, der die Leistung erbringt, sondern der Abnehmer. Das erleichtert Umsatzsteuerzahlungen und -rückerstattungen auf internationaler Ebene. Das komplexe Thema birgt aber auch viele Stolperfallen. Hier erfahren Sie, was Reverse-Charge bedeutet, wann es angewendet wird und was bei der Rechnungsstellung zu beachten ist.

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Reverse-Charge – was bedeutet das?

In Deutschland fällt in der Regel auf jede unternehmerische Dienstleistung die Umsatzsteuer an. Der Unternehmer, der die Leistung erbringt, muss diese seinem Kunden in Rechnung stellen und an das Finanzamt abführen.

Anders funktioniert das beim Reverse-Charge-Verfahren, das bei grenzüberschreitendem Geschäftsverkehr innerhalb Europas zur Anwendung kommt. Der englische Begriff Reverse-Charge bedeutet so viel wie “Umkehr der Steuerschuld”. Das heißt: Nicht der Leistungserbringer führt die Umsatzsteuer ab, sondern derjenige, der die Leistung in Anspruch nimmt. Dadurch wird sichergestellt, dass die Mehrwertsteuer in dem Land gezahlt wird, in dem die Leistung tatsächlich zum Tragen kommt.

Das System funktioniert in zwei Richtungen: Als deutscher Unternehmer können Sie entweder Leistungen aus dem Ausland beziehen. Dann führen Sie die Umsatzsteuer anstelle Ihres ausländischen Geschäftspartners an Ihr zuständiges Finanzamt ab. Andersherum können Sie als deutsches Unternehmen aber auch Leistungen ins Ausland erbringen, dann verlagert sich die Umsatzsteuerpflicht auf den Geschäftspartner im Ausland.

Was bringt Reverse-Charge?

Das Reverse-Charge-Verfahren wurde vor allem aus zwei Gründen eingeführt:

  1. Das Verfahren soll Umsatzsteuerbetrug bei sogenannten Karussellgeschäften verhindern. Hier nutzen verschiedene Beteiligte die mangelnde Transparenz und Kontrolle länderübergreifender Steuersysteme aus, indem sie Umsatzsteuer nicht abführen, diese aber als Vorsteuer geltend machen.
  2. Die Regelung soll zudem die Besteuerung im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr erleichtern. Deutsche Unternehmer müssten sonst für jedes Land, mit dem sie Aufträge abwickeln, eine zusätzliche Umsatzsteuererklärung machen. Zudem könnten sich finanzielle Nachteile für international agierende Unternehmen ergeben, wenn die Vor- und Umsatzsteuersätze der Länder voneinander abweichen. 

Wann wird das Reverse-Charge-Verfahren angewendet?

Das Reverse-Charge-Verfahren ist in § 13b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geregelt. Es kommt immer dann zur Anwendung, wenn eine in Deutschland steuerbare Dienstleistung von einem Unternehmen an ein anderes erbracht wird (B2B-Dienstleistungen) und bestimmte Tatbestände erfüllt.

Bei Geschäften mit im Ausland ansässigen Unternehmen gilt die Pflicht zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft bei sonstigen Leistungen. Sonstige Leistungen sind alle Leistungen, die keine Lieferungen sind, oder einfacher ausgedrückt Dienstleistungen.

Die Lieferung von Waren innerhalb von EU-Ländern sind keine Reverse-Charge Tatbestände i.S.d. §13b UStG, sondern sogenannte “innergemeinschaftliche Lieferungen” nach § 4 Nr. 1b und 6a UStG. Auch hier wird eine Nettorechnung ausgestellt, die Leistung ist jedoch grundsätzlich von der Steuerpflicht in Deutschland befreit und vom Empfänger im Ausland zu versteuern. Dadurch ergeben sich andere steuerliche Auswirkungen, zum Beispiel bei der Vorsteuer.

Das Reverse-Charge-Verfahren gilt auch für bestimmte Geschäfte mit inländischen Unternehmen. Die konkreten Tatbestände (und Ausnahmen) sind in § 13b Abs. 2 und 6 UStG aufgeführt:

Reverse-Charge: Leistungen nach § 13b Abs. 2 UStG

  • Verkauf sicherungsübereigneter Gegenstände außerhalb des Insolvenzverfahrens § 13b Abs. 2 Nr. 2 UStG
  • bestimmte Umsätze nach Grunderwerbsteuergesetz § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG
  • bestimmte Bauleistungen § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG
  • Lieferungen von Wärme, Kälte, Gas und Elektrizität § 13b Abs. 2 Nr. 5 UStG
  • Emissionshandel § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG
  • Lieferungen von Industrieschrott und Altmetallen § 13b Abs. 2 Nr. 7 UStG
  • Gebäudereinigung § 13b Abs. 2 Nr. 8 UStG
  • Goldlieferungen § 13b Abs. 2 Nr. 9 UStG
  • Mobilfunk-, Elektrogeräte und integrierte Schaltkreise § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG
  • Metalle § 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG
  • Telekommunikationsdienstleistungen § 13b Abs. 2 Nr. 2 UStG

Reverse-Charge: Ausschlüsse nach § 13b Abs. 6 UStG

Folgende Leistungen von im Ausland ansässigen Unternehmern:

  • Personenbeförderung nach § 16 Abs. 5 UStG Beförderungseinzelbesteuerung 
  • Personenbeförderung im Taxi
  • grenzüberschreitende Beförderung im Luftverkehr
  • Eintrittskarten für Messen, Ausstellungen und Kongresse im Inland 
  • sonstige Leistungen einer Durchführungsgesellschaft an im Ausland ansässige Unternehmer, soweit diese Leistung im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Messen und Ausstellungen im Inland stehen
  • Restaurationsleistungen (Verpflegung an Bord von Schiffen, Luftfahrzeugen oder Eisenbahnen)

Mit dem sogenannten Schnellreaktionsmechanismus kann der deutsche Gesetzgeber den Anwendungsbereich für Reverse-Charge im Rahmen einer Verordnung kurzfristig jederzeit erweitern. Bei Leistungen aus dem oder ins Ausland sollten Sie sich also immer genau über die aktuellen Tatbestände informieren und Rechnungen auf die Umkehr einer möglichen Steuerschuld prüfen.

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Für diese Länder gilt Reverse-Charge

Das Reverse-Charge-Verfahren ist nicht nur innerhalb von EU-Ländern verpflichtend vorgesehen, sondern auch bei grenzüberschreitenden Geschäften mit Drittländern. Dies sind Nicht-EU-Länder wie beispielsweise China, Indien, USA, Kanada, Vereinigte Arabische Emirate oder auch die Schweiz.

Wie die Besteuerung in der Praxis konkret aussieht, kann für jedes einzelne Land sehr unterschiedlich sein. In den EU-Staaten wird die Grundregelung zu sonstigen Leistungen zwar einheitlich angewendet, allerdings hat jedes Land andere Regeln dazu, welche Tatbestände der Besteuerung nach Reverse-Charge unterliegen.

In Drittländern sieht es noch uneinheitlicher aus: Einige Länder haben individuelle Steuerabkommen mit Deutschland geschlossen, in anderen ist Reverse-Charge überhaupt nicht vorgesehen. Insbesondere, wenn deutsche Unternehmer Leistungen in ein Drittland erbringen, kann es kompliziert werden. Dann müssen sie auch das dortige Umsatzsteuerrecht beachten und ggf. die Umsatzsteuer selbst an das ausländische Finanzamt abführen.

Regelungen der Steuerschuldumkehr

Rechnungen in die USA stellen

Stellen Sie eine Rechnung in die USA, ist die Leistung in Deutschland zwar steuerfrei, in den USA unter Umständen jedoch nicht. Die umsatzsteuerlichen Regelungen sind je nach US-Bundesstaat und Art der Leistung sehr verschieden. Dann müssten Sie sich beim Finanzamt des jeweiligen Bundesstaats anmelden und dort die Mehrwertsteuer (“VAT”) abführen.

Rechnungen in die Schweiz stellen

Als Nicht-EU-Land gilt die Schweiz im umsatzsteuerlichen Sinne als Drittland. Früher war die Umkehr der Steuerschuld nur bis 100.000 CHF Jahresumsatz möglich. Mittlerweile gibt es jedoch ein Abkommen mit Deutschland, das den EU-Regelungen entspricht. Sie können also eine Rechnung in die Schweiz ohne Umsatzsteuer ausstellen, der Empfänger führt diese dann ans Schweizer Finanzamt ab.

Zwei Beispiele

Lässt ein deutscher Unternehmer beispielsweise seine Webseite von einem in Bulgarien sitzenden Freelancer überarbeiten, ist diese Leistung beim Leistungsempfänger in Deutschland steuerpflichtig. In diesem Fall stellt der ausländische Unternehmer eine Nettorechnung aus und führt dementsprechend keine Umsatzsteuer ab. Das deutsche Unternehmen schuldet die Umsatzsteuer an sein zuständiges Finanzamt. Den Betrag kann es gleichzeitig als Vorsteuer abziehen.

Reverse Charge Beispiele

Andersherum: Erbringt ein deutsches Unternehmen eine Beratungsleistung im Ausland, stellt es seine Rechnung ohne Umsatzsteuer. Der ausländische Unternehmer zahlt dann den Nettobetrag und führt die Umsatzsteuer selbst gemäß den Bestimmungen in seinem Herkunftsland ab.

Exkurs: Reverse-Charge für Kleinunternehmer

Auch wenn Sie als Kleinunternehmer nach § 19 UStG von der Umsatzsteuer befreit sind, müssen Sie als Leistungsempfänger im Rahmen von Reverse-Charge Umsatzsteuer abführen. Weitere Informationen zur Umsatzsteuerpflicht von Kleinunternehmern finden Sie hier

Folgende Besonderheiten sind zu beachten:

  1. Wenn umsatzsteuerbefreite Unternehmer Leistungen aus dem Ausland beziehen, ist besondere Vorsicht geboten. Auch Kleinunternehmer schulden als Leistungsempfänger nach dem Reverse-Charge-Verfahren die Umsatzsteuer und müssen diese über eine Umsatzsteuererklärung ans Finanzamt abführen. Vorsteuer dürfen sie dafür jedoch nicht geltend machen.
  2. Erbringen Sie Leistungen ins Ausland, können Sie diese mit Ihrem Nettobetrag und dem Vermerk auf Reverse-Charge in Rechnung stellen. Sie müssen jedoch Ihre Umsatzsteuer-ID angeben, die Sie vorher beim Finanzamt beantragen müssen.

Dies gilt übrigens auch für andere Unternehmer wie Ärzte und Krankenhäuser, pauschalversteuernde Land- und Forstwirte sowie Banken und Versicherungen, die ausschließlich steuerfreie Umsätze tätigen.

Überlegen Sie als Kleinunternehmer genau, ob Sie Auslandsgeschäfte tätigen wollen. Kommt das Reverse-Charge-Verfahren zur Anwendung, führt dies zu zusätzlichem Verwaltungsaufwand und kann sogar finanzielle Nachteile bringen, da sie zwar Umsatzsteuer abführen müssen, aber die Vorsteuer nicht geltend machen dürfen.

Reverse-Charge Rechnungen schreiben und erhalten

Rechnungen nach dem Reverse-Charge-Verfahren werden grundsätzlich als Nettorechnungen gestellt. Neben den gesetzlichen Mindestbestandteilen müssen Reverse-Charge-Rechnungen auch noch folgende Angaben erfüllen:

  • Umsatzsteuer-ID des leistenden Unternehmens,
  • Umsatzsteuer-ID des ausstellenden Unternehmens (bei EU-Ländern verpflichtend, in Drittländern sofern vorhanden)
  • der Hinweis auf Reverse-Charge

Der Hinweis auf die Umkehr der Steuerschuld sollte in der jeweiligen Landessprache des Empfängers erfolgen und könnte beispielsweise “Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers” oder“VAT due to the recipient” lauten.

Achten Sie darauf, Reverse-Charge Rechnungen ohne Umsatzsteuer auszustellen, sonst droht eine Doppelbesteuerung. Wenn Sie Umsatzsteuer berechnen, müssen Sie diese auch abführen – selbst wenn die Tatbestände für das Reverse-Charge-Verfahren erfüllt sind und der Empfänger die Umsatzsteuer bezahlt.

Kontrollieren Sie die erforderlichen Angaben unbedingt auch, wenn Sie eine Reverse-Charge Rechnung erhalten. Wichtig dabei: Der Hinweis auf Reverse-Charge ist keine Voraussetzung für die Umkehr der Steuerschuld. Das heißt: Sind die Tatbestände für eine Steuerschuldumkehr erfüllt, müssen Sie die Steuern als Empfänger auch ans Finanzamt abführen, wenn die entsprechende Angabe fehlt.

Tipps für die Umsatzsteuererklärung

Die Umsatzsteuerpflicht eines Unternehmers im Rahmen von Reverse-Charge entsteht mit dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer. Dieser ist einheitlich geregelt: Die Steuer wird mit Ende des Voranmeldungszeitraums fällig, in dem die Leistung erbracht wurde oder in dem die Zahlung fällig wird (falls dies vor Leistungserbringung der Fall ist). 

Wo Unternehmer die Umsätze aus dem Reverse-Charge-Verfahren in der Umsatzsteuererklärung bzw. Umsatzsteuer-Voranmeldung angeben, richtet sich danach, ob sie die Leistungen erbringen oder empfangen.

  • Leistende Unternehmer geben den Umsatz (auf den sie keine Umsatzsteuer berechnet haben) als Ausgangsumsatz an.
  • Empfangende Unternehmen geben die zu zahlende Umsatzsteuer als “Leistungsempfänger als Steuerschuldner (§ 13b UStG)” an. Sind sie vorsteuerabzugsberechtigt, geben sie denselben Betrag noch einmal bei der Vorsteuer an.

Fazit: Viele Sonderregelungen

Egal, ob Unternehmen Leistungen im Ausland erbringen oder Leistungen aus dem Ausland beziehen: Für viele grenzüberschreitende Geschäfte gelten umsatzsteuerliche Besonderheiten. Kommt das Reverse-Charge-Verfahren zur Anwendung, vereinfacht dies die Besteuerung in vielen Fällen. Die Regelungen sind jedoch sehr komplex und es gibt einige Fallstricke. Ein gutes Buchhaltungssystem und ein erfahrener Steuerberater helfen dabei, internationale Rechnungen rechtskonform zu stellen und die Umsatzsteuern korrekt abzuführen.

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FAQs

Was fällt unter Reverse-Charge?

Das Reverse-Charge-Verfahren wird bei grenzüberschreitenden Leistungen zwischen zwei Unternehmern angewendet. Es ist verpflichtend für Dienstleistungen im EU-Inland und Werklieferungen an Drittländer. Darüber hinaus sind bestimmte Leistungen, die in § 13b UStG geregelt sind, Reverse-Charge Tatbestände. Dazu gehören zum Beispiel Geschäfte, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen oder bestimmte Bauleistungen.

Was bedeutet Reverse-Charge auf der Rechnung?

Rechnung mit dem Verweis “Reverse-Charge” kommt vor allem bei grenzüberschreitenden Geschäften vor. Der englische Begriff bedeutet so viel wie “Umkehr der Steuerlast”. Das heißt konkret: Das Unternehmen, welches die Leistung erbracht hat, stellt nur den Nettobetrag ohne Umsatzsteuer in Rechnung. Der Rechnungsempfänger muss die Umsatzsteuer dann direkt an sein Finanzamt zahlen.

Wer zahlt Steuer bei Reverse-Charge?

Laut Umsatzsteuergesetz führt normalerweise jedes Unternehmen, das eine steuerpflichtige Leistung erbringt, die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer an das Finanzamt. Beim Reverse-Charge-Verfahren wird die Steuerlast jedoch umgekehrt. Das heißt, der Leistungsempfänger zahlt die Umsatzsteuer.

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